In der Reihe 0x0a / Frohmann Verlag ist ein weitere Übersetzung internationaler generativer Literatur erschienen: Lillian-Yvonne Bertrams Gedichtband Farcen-Generator, der 2019 als Travesty Generator bei Noemi Press veröffentlicht wurde.
Hannes Bajohr hat es übersetzt und mit Bertram gesprochen:
Was ist Farcen-Generator? Wie steht das Buch zu deinen anderen Arbeiten?
Farcen-Generator ist genau genommen mein vierter richtiger Band mit Gedichten und anderen Texten. Keines meiner früheren Bücher funktioniert generativ – aber alle meine Bücher sind von einem Innovations- und Experimentiergeist geprägt. In diesem Sinne sind Rechenvorgänge zwar nicht unbedingt Teil meiner früheren Bücher, aber Algorithmen, Kombinationen und Versuchsanordnungen mit mathematischen Prozessen sind Teil meiner Arbeit und waren es von Anfang an. Meine früheren Bücher ›sehen‹ also nicht nach Computern aus, aber es gibt darin Gedichte, die aus einem rechnerischen und algorithmischen Denken stammen; Farcen-Generator ist eine Weiterentwicklung der experimentellen Affinitäten in meiner gesamten Arbeit.
Welche Verbindung besteht zwischen der Form des Programmierens und dem Thema Schwarzen Lebens in deinem Buch?
Eine der Verbindungen, die ich zu ziehen versuche, ist die zwischen der gegenwärtigen algorithmischen Ungerechtigkeit und der algorithmischen Ungerechtigkeit in der Geschichte, die in den USA die Form von kodifizierten Gesetzen annahm, die die Bewegungs- und Lebensmöglichkeiten von Schwarzen einschränkten. Einige dieser sozialen Codes waren Gesetze: Schwarze durften nicht aus denselben Trinkbrunnen trinken, nicht mit denselben Bussen fahren, nicht in denselben Vierteln wohnen wie Weiße. Selbst nach der Aufhebung dieser Gesetze auf Bundesebene gab es noch informelle soziale Einschränkungen, die bestimmten, wo Schwarze (bequem) leben konnten, welche Jobs sie bekamen und welche Schulen sie besuchen konnten – wenn überhaupt. Mit anderen Worten: Es gab erst eine staatlich verordnete und dann eine gesellschaftlich verordnete Apartheid. Diese Gesetze gibt es heute zwar nicht mehr, aber sie haben durch Algorithmen, Codierung und Technologie andere Formen angenommen – Beispiele sind ›predictive policing‹ oder Gesichtserkennungssoftware. Die restriktiven Codes wurden also nicht abgeschafft, sondern dank der ›Blackbox‹ der Technologie nur unsichtbarer gemacht. Und dann ist da noch die ›kodierte Sprache‹, die Schwarze Menschen miteinander teilen, die ebenfalls in dem Buch vorkommt. Zach Whalen weist in einer Rezension für Critical Code Studies darauf hin, dass die gängige Programmierschnittstelle die Form des Notizbuchs ist, das ›Zellen‹ (cells) verwendet. Diese Zellen sind restriktiv, so wie auch rassistische Codes dazu gedacht sind, die physische und psychische Mobilität Schwarzer Menschen einzuschränken. Das Buch versucht, die Überschneidungen zwischen Computercode und dem, was kodifiziert ist und war, in Bezug auf das Leben von Schwarzen zu untersuchen.
In deinem Nachwort bezeichnest du dich selbst als »ungeahnte Coderin«. Was ist damit gemeint?
Ich meine damit, dass ich in gewisser Weise eine ›unerwartete‹ und ›ungeahnte‹ Person bin, die von den ursprünglichen Gatekeepern der Informatik und des Programmierens nicht antizipiert wurde. Ich bin eine Schwarze Amerikanerin, und als ich aufwuchs, wurden mir Möglichkeiten wie Programmierung und Informatik gar nicht geboten, bzw.. ich (und andere) wurden aktiv davon abgehalten, weil wir nicht dem Typ Mensch entsprachen, von dem man erwartet, dass er sich für Computer und Programmierung interessiert. In diesem Sinne nehme ich also an einem Bereich und einem Diskurs teil, von dem nie erwartet oder imaginiert wurde, dass Personen wie ich daran teilhaben und unsere Perspektiven und sozialen Verpflichtungen einbringen würden.
Das Buch kann man bei uns und im Frohmann Verlag bestellen.
Zum Buch; es kann hier im Frohmann Verlag bestellt werden.