Erotica

  • Hannes Bajohr
  • ,
  • 2015

Wenn etwas verdient, „genuine Internetliteratur“ genannt zu werden, dann sind es nutzergenerierte Erotika. Von Fan-Fiction einmal abgesehen, gibt es kein anderes Textgenre, dass die Abwesenheit editorischer und moralischer Kontrolle so für sich zu nutzen weiß, wie geschriebene Pornografie. Mindestens seit den frühesten Tages des Usenet unbezahlt von Millionen meist anonymer Amateurautoren geschrieben, gibt es wenig, was den Geist des Netzes wahrhaftiger repräsentiert.

Für Erotica wurde Kimono benutzt, um eine der größten Websites für Amateurerotika, literotica.com, in Gänze zu scrapen (10 Millionen Wörter, 52.000 Lemmata). Ein Python-Script entfernte aus dem resultierenden Korpus alle Wörter, die es als Englisch identifizieren konnte, und ließ weiterhin nur die übrig, die zwei oder mehr aufeinanderfolgende identische Buchstaben enthielten.

Das Ergebnis ist ein (un-)episches Gedicht aus Onomatopoeia und bewussten Schreibfehlern, die kein Offline-Lektor zugelassen hätte, die aber den Sprachgebrauch bestimmen, der im Zeitalter vernetzter Kommunikation Erotik transportiert. Der typografischen Tradition der konkreten Poesie folgend, ist Erotica ein Text-Bild, das die verbale Absurdität der Lust an der steten Grenze zur Unverständlichkeit darstellt.

[Eine frühere, kürzere Version erschien als „Vokale und Konsonanten“ in: metamorphosen 38/2015.]

  • Erotica
  • Hannes Bajohr
  • 2015
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