Im Juni 2017 wurde das posthum erschienene Buch Finis Germania von Rolf Peter Sieferle auf Platz neun der von NDR und Süddeutscher Zeitung betriebenen Sachbuchbestenliste gewählt. Der rechtsextreme Inhalt, der unter anderem den Würgegriff des „Auschwitzmythos“ auf die deutsche Öffentlichkeit beklagte, sorgte für ebenso große Aufregung wie die Tatsache, dass es durch den Redakteur eines respektablen Mediums im Alleingang ausgewählt worden war. Für viele markierte dies die endgültige Salonfähigkeit „rechtsintellektueller“ Diskurse im deutschen Mainstream. Dabei war Sieferles Buch nur ein weiteres Element im Versuch des Antaios-Verlags, Respektabilität um die Ideologien der nouvelle droite, der Rechtsidentitären und Neoautoritären aufzubauen. Im bei Antaios erscheinenden Magazin Sezession und auf dem sezession.de-Blog werden Diskurshappen wie die Sieferles regelmäßig in Umlauf gesetzt und dienen als Formulierungshumus, durch den gestärkt sie in die breitere Medienlandschaft einsickern. Doch aller intellektueller Prätentionen zum Trotz legen diese Texte eine erstaunliche argumentative Leere an den Tag und stützen sich bei der Verbreitung ihrer Ideologie vornehmlich auf fixe Phrasen und Schlüsselwörter sowie auf einen merkwürdig gestelzten Stil.
Germania Markoviana versucht diese Schreibart generativ zu simulieren. Dazu wurden zunächst alle Blogeinträge von sezession.de gescraped und in ein 13 MB umfassendes Korpus gesammelt. Anschließend wurde ein Python-Script geschrieben, dass einen Text frei wählbarer Länge generiert und dabei einen Markovketten-Algorithmus verwendet. Markovketten sind stochastische Prozesse, die auf der Basis begrenzter Information über ein System die wahrscheinlichen zukünftigen Zustände dieses Systems vorauszusagen versuchen. In diesem Fall enthält die Markovkette die wahrscheinlichste Wortfolge gemäß der stochastischen Analyse des Textkorpus. Sie kann, anders gesagt, Text erzeugen, der zwar nicht semantisch korrekt ist, aber den Stil von sezession.de mathematisch plausibel simuliert. Markovketten können dabei in verschiedenen Ordnungen auftreten, die bestimmen, wie viel der vorhergehenden Zustände (hier: Wörter) zur Vorhersage zukünftiger Zustände herangezogen werden. Um semantisch relativ sinnvolle Sätze zu generieren, wurde eine hohe Ordnung gewählt. Daher kann ein Satz in Germania Markoviana aus nur wenigen Sätzen des Korpusoriginals kombiniert sein.
Das Ergebnis des Skripts sind Sätze, die nichts oder nur wenig bedeutet, aber dennoch den Sound der sezession.de-Autoren transportieren. Sie sind damit nicht völlig anders als das Original. Sezession.de ist selbst ein Textgenerator, dessen Hauptfunktion nicht so sehr ist, auf Bedeutungsebene verstanden zu werden, sondern über stilistische und phraseologischer Marker ein Gefühl und eine „Haltung“ zu übermitteln. Germania Markoviana betrachtet die Art und Weise, mit der die Ideologie von „Rechtsintellektuellen“ kulturelle Hegemonie zu produzieren versucht und drängt sie dabei auf einen absurden Grad hin. Dieses Buch könnte unendlich lang sein ohne etwas zu sagen. Ganz so, wie die Texte, auf denen es basiert.